Offene Replik

Sehr geehrte Frau Bouillon,

verbindlichen Dank für Ihre ausführlich Antwort auf unsere Nachfrage. Überzeugt haben Sie uns allerdings nicht. Der Konverter gehört nicht in dicht besiedeltes Gebiet, sondern ins Braunkohlerevier.

1. Standortbereiche – Standortflächen

OSKAR“ ist eine treffende Bezeichnung des Planungsbereichs Nr. 2/II. Er vermittelt die Betroffenheit der beiden Kommunen Kaarst und Osterath. Für die Belastung der Menschen, die hier wohnen, macht es keinen Unterschied, ob der Konverter auf der Fläche an der Straße von Kaarst nach Osterath wenige Meter weiter nördlich oder südlich gebaut wird.

2. Abstand von der Wohnbebauung

In dem Standortsteckbrief zu dem Standortbereich Nr. II Teil 2 (Gemeindegrenze zwischen Meerbusch, Kaarst und Willich) heißt es wörtlich: „Der Flächenzuschnitt bietet nur wenige Möglichkeiten zur Anordnung eines konkreten Standorts. Hier könnte ein maximaler Abstand zu umliegenden Wohnnutzungen von ca. 220 m erreicht werden (inkl. Außenbereichsbe-bauung).“ In dem Standortsteckbrief zu dem Standortbereich Nr.2 Teil 2 (Gemeinde Meerbusch, Umspannwerk Osterath) heißt es ganz ähnlich: „Eine Anordnung des Konverterstandorts wäre folglich nur in der östlichen Hälfte des Standortbereichs möglich. Hier könnte ein maximaler Abstand zu umliegenden Wohnungsnutzungen von ca. 300 m erreicht werden (inkl. Außenbereichsbebauung)“. Vor diesem Hintergrund halten wir Ihre Aussage „500 m Abstand zur Wohnbebauung werden deutlich erreicht“ für erklärungsbedürftig.

Dass Bürgerinitiativen oftmals nur 500 m Abstand zur Wohnbebauung gefordert hätten, ist uns nicht bekannt. Wir haben uns immer für weit größere Abstände eingesetzt. Mehr noch: In Philippsburg war insbesondere die zu geringe Entfernung von der Wohnbebauung (Abstand damals 600 m) Grund dafür, dass Kommune und Bürgerinitiativen gegen die ursprüngliche Standortplanung mobil machten. Und das mit Erfolg. Jetzt wird der Konverter auf dem Gelände des Atomkraftwerks in Philippsburg errichtet in 1.500 m Entfernung von der Wohnbebauung (Stuttgarter Zeitung, 31.05.2016).

3. Regionaler Grünzug, Naturschutz

Es trifft nicht zu, dass Vorhaben, die der Stromversorgung dienen und damit auch Konverter ganz einfach ohne jede Beschränkung auf einem regionalen Grünzug errichtet werden dürfen. Die Zitate, mit denen Sie dies zu belegen versuchen, sind fehlerhaft und unvollständig.

Der Regionalplan 2018 behandelt die Regionalen Grünzüge nicht in Kapitel 3.1.1. Z1, sondern in Kapitel 4.1.2. Z1 Der Grundsatz in Satz 1 lautet: „Regionale Grünzüge sind im Hinblick auf ihre freiraum- und siedlungsbezogenen Funktionen vor einer siedlungsräumlichen Inanspruchnahme zu schützen“. Davon macht Satz 2 eine Ausnahme für Planungen und Vorhaben für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs.1 BBauG, dessen Nr. 2 auch den Konverter erfasst. Die Ausnahme gilt allerdings nicht schrankenlos. Der Regionalplan selbst bestimmt in Kapitel 4.1.2. G2, dass bei etwaigen Bauleitplanungen für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs.1 BBauG die Erfordernisse der Regionalen Grünzüge zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus enthält § 35 Abs.1 Satz 1 BBauG eine ganz wichtige Einschränkung. Das privilegierte Vorhaben ist nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor (§ 35 Abs.3 BBauG), wenn das Vorhaben Plänen des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzes widerspricht (Nr.2), schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann (Nr.3) oder Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes, die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet (Nr.5). Zudem ist nach § 36 BBauG das Einvernehmen mit der zuständigen Gemeinde herzustellen, wenn über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 BBauG entschieden wird. In Anbetracht dieser Einschränkungen bei der Verwirklichung privilegierter Nutzungen bedarf es letztlich einer Regionalplanänderung oder eines Zielabweichungsverfahrens, wenn OSKAR Konvertertstandort werden soll. Dieser Auffassung scheint auch der von Amprion bestellte Gutachter zu sein, der in OSKARs Standortsteckbrief (S. 166) auf den Regionalen Grünzug hinweist und schreibt: „Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein Konverterstandort innerhalb dieses Standortbereichs nur dann realisiert werden kann, wenn der Konflikt mit den Standortbereich überlagernden Zielen der Raumordnung durch entsprechende Zielabweichungszulassungen oder einer Regionalplanänderung gelöst werden kann.“

4. Wasserschutz

Wir halten es für leichtfertig, den Konverter in einem Wasserschutzgebiet oder in seiner unmittelbaren Nähe zu errichten. Es gibt keine praktischen Erfahrungen mit einem Konverter der geplanten Größenordnung. Wir haben nicht ohne Grund auf den Unfall mit dem Konverter Borwin Alpha hingewiesen und erinnern an Murphys Gesetz: Was schiefgehen kann, geht auch schief.

5. Frimmersdorf

Vorbemerkung: Ihre Standortbezeichnungen stimmen nicht mit dem Standortgutachten überein. Nr. 22 ist nach Tabelle 5 des Gutachtens „Braunkohlerevier, Bedburg“, Nr.24 „Kraftwerk Frimmersdorf, Grevenbroich“. Wir legen im Folgenden die Bezeichnungen des Gutachtens zugrunde.

Wir verstehen nicht, warum sich Amprion dagegen sträubt, den Standort Kraftwerk Frimmersdorf (im Gutachten Nr. 24) ernsthaft als Konverterstandort in Betracht zu ziehen. Die Fläche ermöglicht, den Konverter weitab von der Wohnbebauung zu errichten. Es bestehen keine Einschränkungen durch den Regionalplan. Auch sonst gibt es keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien. Der Boden ist durch die bisherige Kraftwerksnutzung bereits industriell genutzt und ohnehin belastet, so dass Fragen des Natur- und Wasserschutzes nicht auftreten. Dazu ist der Standort bestens an das Verkehrsnetz

angebunden. Das einzige Argument für die Abqualifizierung, es sei ein Leitungsneubau von 11 km erforderlich, ist falsch. Das inzwischen stillgelegten Kraftwerk Frimmersdorf ist schon jetzt über eine bestehende 380 kV-Leitung von Frimmersdorf nach Gohr an die zukünftige HGÜ-Trasse angebunden. Diese Leitung kann für die Anbindung des Konverters genutzt werden, so dass ein Neubau insoweit nicht erforderlich ist. Der von der Stadt Kaarst bestellte Gutachter Prof. Dr. Ewer kommt in seinem Gutachten zum Bundesfachplanungsverfahren vom 13.09.2017 zu dem Ergebnis, dass der Standort entgegen der Auffassung von Amprion nicht in die schlechteste Klasse einzustufen, sondern wegen der Nutzung von Bestandsleitungen auch gegenüber einem gebündelten Neubau der Leitungen vorzugswürdig wäre.

Wir bitten Amprion dringend, wie TransnetBW in Philippsburg endlich Rechtsfrieden zu schaffen und den Konverter in das industriell geprägte Braunkohlengebiet zu verlegen.

Unsere Pressemitteilung zu diesem Brief „Unsere Antwort an Amprion: Wir fordern Schutz der Menschen – Schutz der Natur“ ist beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen ThielProf. Dr. Jochen Thiel
Bürgerinitiative Kein Doppelkonverter in Kaarst und Neuss
Hellerfeld 17, 41564 Kaarst
Tel. 02131 519996, Mail:
jochen.thiel@web.de